Nur für Personal. Les femmes du 6ème étage. - ein Film von Philippe Le Guay. Ab 03. November 2011 im Kino - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 01.11.2011


Nur für Personal. Les femmes du 6ème étage. - ein Film von Philippe Le Guay. Ab 03. November 2011 im Kino
Leonie Schwarzer

Paris in den 60er Jahren: Das Ehepaar Joubert lebt mit seinen Kindern in einem vornehmen Stadthaus und führt ein gesichertes, aber ereignisloses Leben. Doch ein neues Hausmädchen bringt den...




...eingefahrenen Alltag der Familie völlig durcheinander und die Mauern des sicheren Zuhauses beginnen gefährlich zu schwanken.

Der Börsenmakler Jean-Louis(Fabrice Luchini) hält eisern an Traditionen fest: Seit Generationen wohnt seine Familie schon in dem eleganten Haus in Paris, sein Frühstücksei muss jeden Morgen exakt dreieinhalb Minuten gekocht sein und im Sommer fährt die Familie immer in das gleiche Ferienhaus. An der Börse geht er keine unbedachten Risiken ein und auch Germaine, die jahrelange Haushälterin, gehört zu seinem behüteten Alltagsleben.

Als die jedoch Hals über Kopf kündigt, steht bald Maria (Natalia Verbeke), eine hübsche Spanierin, vor der Tür. Jean-Louis fühlt sich sofort zu ihr hingezogen und ist fasziniert von der temperamentvollen und lebensfrohen Art. Als er ihr hilft, ein paar Sachen in den sechsten Stock zu tragen, sieht er zum ersten Mal das Reich der Dienstmädchen. Er ist völlig beeindruckt von dem einfachen Leben, der Menschlichkeit und der ansteckenden Lebensfreude der Spanierinnen. Nach und nach gewinnt Jean-Louis das Vertrauen und verbringt immer mehr Zeit mit ihnen. Als ihm seine Frau Suzanne(Sandrine Kiberlain) eine Affäre mit einer seiner reichen Klientinnen unterstellt, zieht Jean-Louis kurzerhand zu den Dienstmädchen in den sechsten Stock...

"Nur für Personal" beschreibt das Aufeinanderprallen zweier völlig unterschiedlicher Welten, ohne sich jedoch dabei abgenutzter Klischees zu bedienen. Die Welt von Jean-Louis ist wie ein grauer und starrer Käfig. Gefühle verstecken sich hinter einer Fassade aus Etikette und Ansehen und Suzannes Freundinnen wirken kühl und unecht. Dagegen verbindet die Hausmädchen eine tiefe Freundschaft und sie halten eisern zusammen. So muss Maria an ihrem ersten Probe-Arbeitstag nur kurz pfeifen und schon helfen ihr spontan die anderen Spanierinnen. Wild tanzen sie zu der Melodie "Honolulu Strandbikini" durch das herrschaftliche Herrenhaus und verdeutlichen, dass zum Glücklichsein weit mehr als Geld und Besitz dazu gehören.

Doch dieser Film zeichnet kein schwarz-weißes und eindeutiges Bild der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, sondern überzeugt durch ausdifferenzierte Charakterzüge. Zwanghaft versucht die aus einfachen Verhältnissen stammende Suzanne zu der feinen und dabei oberflächlichen Gesellschaft dazuzugehören. Bei den ZuschauerInnen erweckt sie Mitleid wegen ihrer verzweifelten Anstrengungen, die Ehe zu retten.

Die ProtagonistInnen spielen wunderbar authentisch und verkörpern ihre Charaktere mit Genauigkeit und Sensibilität. Das Ehepaar Joubert wirkt aufeinander eingespielt und schafft es, den Charakter einer vertrauten, aber dennoch zerbrechenden Ehe, darzustellen. Kein Wunder, denn Fabrice Luchini und Sandrine Kiberlain haben in der Vergangenheit bereits zweimal miteinander gedreht, unter anderem in Pascal Bonitzers "Rien Sur Robert". Die Riege der "Dienstmädchen-Darstellerinnen" wird angeführt von Carmen Maura, dem großen Star des spanischen Kinos. 2000 spielte sie schon einmal zusammen mit Natalia Verbeke in dem Film "Carretera Y Manta"(2000), sodass die beiden ein vertrautes Verhältnis verbindet. Die übrigen Zimmermädchen werden gespielt von Lola Dueñas, Nuria Sole, Berta Ojea und Concha Galán. Mit viel Temperament und einem gleichzeitig sehr feinfühligen Spiel fangen sie ein Stück spanisches Lebensgefühl ein.

Philippe Le Guay, der unter anderem schon für "Weekend Für Zwei" und "Am Morgen Danach" Regie führte, liefert eine kurzweilige Milieustudie mit einer Prise französischem Humor. Inspiriert zu diesem Film wurde Philippe durch eine eigene Kindheitserinnerung, da seine Familie eine spanische Zugehfrau beschäftigte und er sehr viel Zeit mit ihr verbrachte.

AVIVA-Tipp: Temperamentvolle Flamencorhythmen treffen auf französische Chansons: "Nur für Personal" ist ein amüsanter Culture-Clash, der zum Bekenntnis der eigenen Gefühle aufruft. Wenn Jean-Louis zum ersten Mal in seinem miefigen Büro das Fenster öffnet und frische Luft hereinkommt, dann wirkt das wie ein Befreiungsschlag. Diese französische Komödie macht Lust auf einen Umzug, eine neue Frisur oder eine Weltrumrundung. Doch gleichzeitig zeigt der Film auch, dass mensch nicht immer weit reisen muss, um sein Leben zu verändern...

Zum Regisseur: Philippe Le Guay wurde 1956 in Paris geboren und absolvierte zunächst eine Ausbildung am Institut des hautes études cinématographiques (IDHEC). Seit Ende der 80er machte er sich als Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler einen Namen. 1989 drehte Le Guay mit "Les Deux Fragonard" seinen ersten Langfilm. Meist führt Le Guay Regie und schreibt auch das Drehbuch, unter anderem in den Filmen "Trois Huit"(2001) und "Le Cout De La Vie" (2003). International bekannt wurde er vor allem durch "Un Weekend Sur Deux" (1990), "Post Coitum Animal Triste" (1997) sowie zuletzt als Co-Autor von "My Little Princess"(2011).

Nur für Personal!
(Les femmes du 6ème étage)

Frankreich 2010
Regie: Philippe Le Guay
Drehbuch: Philippe Le Guay & Jérôme Tonnerre
DarstellerInnen: Fabrice Luchini, Sandrine Kiberlain, Natalia Verbeke, Carmen Maura, Lola Dueñas, Nuria Sole, Berta Ojea, Concha Galán u.a.
Verleih: Concorde Filmverleih GmbH
Lauflänge: 106 Minuten
Kinostart: 03. November 2011
personal-derfilm.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Interview mit Lola Dueñas

Das Schmuckstück. Potiche

So ist Paris

Intime Fremde

Mademoiselle Chambon


Kunst + Kultur

Beitrag vom 01.11.2011

AVIVA-Redaktion